Doping-Sündern auf der Spur

Athlet am Startblock
  • Beruf & Karriere
  • 23.07.2018

Beim Fußball, in der Leichtathletlik, bei der Tour de France: Immer wieder kocht das Thema Doping hoch, immer wieder finden sich Belege, dass im Leistungssport vielerorts systematisch Medikamentenmissbrauch betrieben wird. 

In Köln, in einem Gebäude der Sporthochschule, schlägt das Herz des Anti-Doping-Kampfes. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt man hinter den brummenden Test-Apparaturen die Experten des Anti-Doping-Labors. Hier arbeiten Pharmakologen, Lebensmittelchemiker, Biologen und sogar ein Veterinärmediziner, der sich mit Pferdedoping beschäftigt. Eine Klimaanlage kämpft mühsam gegen den dumpfen Geruch, den die vielen Urinproben verbreiten. Blickt Institutsleiter Prof. Dr. Mario Thevis aus seinem Bürofenster, sieht er die Flutlichtmasten des Kölner Stadions, Olympiastützpunkte und Leistungszentren sind nur einen Steinwurf entfernt. Thevis hat seine Klientel sozusagen gleich vor der Tür.
 

Mario Thevis leitet das Anti-Doping-Labor in Köln. Von etwa 30.000 Proben jährlich sind ein bis zwei Prozent positiv


Die reinste Kriminalarbeit

30.000 Urinproben werden jährlich vom Anti-Doping-Labor in Köln getestet. Jeden Tag, auch am Wochenende, ist man hier im Einsatz. Und da es weltweit derzeit nur knapp über 30 akkreditierte Doping-Kontrolllabore gibt, kommt die tägliche Post nicht nur aus Deutschland, auch für Sportverbände aus dem Ausland wird in Köln getestet. Je nach Dringlichkeit liegen die Ergebnisse schon zwischen 24 und 48 Stunden nach Lieferung der versiegelten Probe vor, spätestens jedoch nach zehn Arbeitstagen. Ob hier in Köln oder im zweiten deutschen Labor im ost-deutschen Kreischa: Ein bis zwei Prozent der Proben sind positiv.

Die eigentlichen Kontrollen, sagt Thevis, das sei Routinearbeit, ein standardisierter Prozess mit modernstem technischem Gerät. „Viel spannender ist die Forschung.“ Wie als ein Symbol dafür steht in einer Ecke seines Büros eine Bastelarbeit, verziert mit einer blauen Zahnpastatube. In einer solchen Tube wurde seinerzeit die verbotene Substanz gefunden, die man auch im Körper von Langstreckenläufer Dieter Baumann entdeckte. Die reinste Kriminalarbeit war das damals. Und ein Beispiel dafür, dass es im Anti-Doping-Kampf nicht nur um die Überführung von betrügenden Sportlern geht, sondern auch um die Aufklärung manchmal mysteriöser Fälle. „Vieles, was wir tun, dient dem Schutz ‚sauberer‘ Athleten“, klärt Thevis auf.
 

Das Dilemma der Ärzte

Gerade für Sportärzte ist die Situation nicht einfach. Denn es gibt ein Dilemma: Einerseits stehen sie in der Pflicht, Doping-Missbrauch aufzudecken. Andererseits unterliegen sie der ärztlichen Schweigepflicht – auch dann, wenn dopende Sportler sich ihnen anvertrauen. Klarer liegt der Fall, wenn Ärzte sich selbst durch Doping-Beihilfe strafbar machen, wie es ein ehemaliger Arzt der Ulmer Uniklinik tat. „Skrupellos, geldgierig und menschenfeindlich", so bezeichnete die Richterin dessen Vorgehen. Das Landgericht Memmingen verurteilte den Mediziner, der Anabolika unter anderem an Kraftsportler verkaufte, 2015 zu drei Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe. Seinen Beruf wird er nie wieder ausüben.

Ein Fall, der das dokumentiert, liegt erst wenige Monate zurück. Bei einigen Sportlern, die in Afrika ein Trainingslager absolvierten, wurde ein verbotenes Diuretikum nachgewiesen. „Schon seit den 1980er Jahren war es nicht mehr gebräuchlich, und das machte uns stutzig“, erinnert sich Thevis. Also nahmen die Experten eine Reihe von Nachtests vor. Ergebnis: Beim Zusammenwirken von Malaria-Prophylaxe und dem mit Nahrungsergänzungsmittel konsumierten Kreatin bildet sich in der Blase das Diuretikum Chlorazanil. Die Folge der Recherche: Die Athleten wurden freigesprochen. „Solche Freisprüche gibt es regelmäßig“, berichtet der Analytiker. „Nur kommt das selten an die Öffentlichkeit.“

Albtraum für Sportler

In einem weiteren Zweig der Anti-Doping-Forschung sind Thevis und seine Kollegen regelrecht investigativ. Dabei geht es um die Suche nach Substanzen, die für den legalen Gebrauch zwar noch nicht marktreif sind oder es nicht zur Marktreife schaffen, aber möglicherweise schon als Dopingmittel verwendet werden. Dazu werden Veröffentlichungen von präklinischen Studien durchforstet, Patentanmeldungen und wissenschaftliche Literatur. „Wenn Schlüsselwörter wie Muskelzuwachs oder Anämie fallen, werden wir hellwach“, so Thevis. Solch investigativer Fleiß führte etwa dazu, dass die WADA den Wachstumsfaktor Thymosin-beta 4 und das davon abgeleitete TB- 500 in ihre Doping-Liste aufnahm. Beide Substanzen sind noch nicht als Arzneimittel zugelassen. „Die bisweilen kriminelle Energie im Doping sorgt dafür, dass mit Substanzen experimentiert wird, bevor sie auf dem Markt sind“, sagt Thevis. Immer wieder wird der Kampf gegen Doping deshalb als ein Rennen von Hase und Igel bezeichnet.

600 Kilometer entfernt, in Kreischa nahe der tschechischen Grenze, leitet Dr. Detlef Thieme das zweite deutsche Anti-Doping-Labor. Das eigentliche Problem beim Doping sieht Thieme weniger im Missbrauch verbotener Substanzen. „Die Krux ist, dass es in vielen Ländern gar keine Kontrollen gibt, sie nicht effektiv durchgeführt oder dopende Sportler von einem System geschützt werden.“ Solange dieser Missstand nicht behoben werde, müssten sich Labore eben mit immer wieder neuen Nachweistechniken beschäftigen. Der Anti-Doping-Kampf könnte so einfach sein, klagt Thieme: „Es müssten nur überall unabhängige Kontrolleure uneingeschränkten Zugang zu Athleten haben, um auch unangemeldet jederzeit Kontrollen durchführen zu können.