Semesterstart in der Coronazeit: 4 Studierende erzählen

  • Studium & Lernen
  • 13.11.2020

Prüfungschaos, geschlossene Bibliotheken, Lernen auf Distanz: Seit dem Frühjahr mussten Heilberufs-Studierende mit vielen Veränderungen klarkommen. Wie haben sie die vergangenen Monate erlebt, und wie läuft der Start ins Wintersemester? Vier Erfahrungsberichte.
 


Julia Topmöller (24) startet als Veterinärmedizin-Studentin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover gerade ins Praktische Jahr. Foto: privat

„Der Lockdown hat mich am Ende meines siebten Semesters erwischt. Ich habe mich gerade auf eine Prüfung in Futtermittelkunde vorbereitet, und auf einmal hatte es sich mit dem Unterricht erledigt. Manche wurden dann noch geprüft, bei mir hieß es ein paar Tage vor meinem Termin, dass das Testat ausfällt. Die Hochschule hat entschieden, die Note in diesem Fach aus den zwei vorigen Testaten zu bilden. Ich fand das okay. Nur wer damit nicht zufrieden war, konnte sich für eine Nachprüfung melden.

Im achten Semester hatte ich ausschließlich Heimunterricht über Webcam. Unsere Uni musste sich dafür komplett neu organisieren und eine Studierendenplattform einrichten. Am Anfang prasselten viele Infos von den verschiedenen Instituten auf uns ein, das war ein bisschen chaotisch, aber wir haben uns zurechtgefunden. Manche Dozenten haben dann per Onlinekonferenz unterrichtet, andere haben vorgefertigte Videos mit Tonspur hochgeladen. Besonders das pathologische Institut hat das gut gelöst, die Dozenten haben für Webkonferenzen viele Bilder von Präparaten vorbereitet. Die einzelnen Kliniken haben sich viel Mühe gegeben, haben OPs gezeigt und Chats angeboten. Für viele war es ein Problem, dass die Bibliothek geschlossen hatte, vor allem im zweiten Semester, in dem Anatomie abgefragt wird. Tiermedizinische Lehrbücher sind extrem teuer. Uns höhere Semester hat das weniger betroffen, wir haben von der Uni Links zu digitalen Lehrbüchern und anderes Material als PDF bekommen. Beim AStA konnte man auch Skripte bestellen.

Vermisst habe ich vor allem den Kontakt zu den Mitstudierenden – und das Handling mit den Tieren: Sonst haben wir häufig Patienten im Vorlesungssaal, an denen wir einen Untersuchungsgang mitmachen können. Gerade wenn man vor dem PJ steht, so wie ich, ist das eigentlich wichtig. Das Wintersemester beginnt für mich mit einem Clinical Skills Lab, in dem wir eine Woche lang Trockenübungen für die Klinik machen. Ich bin gespannt, wie das läuft, aber ich denke, jeder hat Verständnis, dass wir dieses Semester praktisch nichts am Patienten machen konnten.

Mein PJ startet Ende November in der Kleintierklinik hier in Hannover. Wir werden als Studierende in kleinere Gruppen gesplittet als sonst und haben weniger Kontakt zu den Tierbesitzern. Ich denke, dass es trotzdem gut laufen wird. Auch für die folgenden PJ-Stationen habe ich noch kein Absagen bekommen, da habe ich bislang Glück. Offen ist, ob wir ein Schlachthof-Praktikum haben werden, das ist für viele aus dem vorigen Jahrgang ausgefallen. Wir müssen sehen, ob die Infektionszahlen wieder steigen, aber ich hoffe, dass es sich stabilisiert. Hannover ist bis jetzt noch ganz gut weggekommen.“
 


Lukas Röhrig (22), studiert Humanmedizin an der Universität Leipzig im fünften Semester. Foto: privat

„Die Einschränkungen fielen bei uns auf den Anfang der Winter-Semesterferien. Ich hatte keine Prüfung vor mir, deshalb war es für mich nicht so schlimm wie für andere, die im Frühjahr ihr Physikum machen sollten. Da gab es viel Hin und Her, wurde dann aber ganz fair gelöst. Wer eine Prüfung nicht bestanden hat, bekam das nicht als Fehlversuch angerechnet.

Ich hatte das Sommersemester über Zeit, mich zu Hause aufs Physikum vorzubereiten. Meine Zeit konnte ich frei einteilen, was schön war, aber ich musste auch erst einen Rhythmus dafür finden. Dass wir zeitweise nicht in die Bibliothek konnten, war für mich nicht so entscheidend, da ich den Großteil der Bücher zu Hause habe. Online-Formate hatten wir in Leipzig auch schon vor Corona. Seit dem Lockdown werden sie flächendeckender angeboten. Ich denke, das war für viele Dozierende ein Kaltstart. Trotzdem wurde es ganz gut umgesetzt. Es gibt aufgezeichnete Vorlesungen, Übungen in Form von Videokonferenzen, Fallbesprechungen mit Ärztinnen und Ärzten der Uni-Klinik, Videos von Eingriffen und Untersuchungstechniken. Trotzdem fehlt etwas, vor allem die zusätzliche Wiederholung vor Examen, in Form von Praktika oder Kursen. Auch der Unterricht am Krankenbett lässt sich nicht wirklich ersetzen. 

Ich habe mein Physikum im Spätsommer abgelegt, unter ziemlich normalen Bedingungen: Wir wurden wieder in Gruppen geprüft, man musste also nicht allein vor den Prüfenden stehen. Wie es jetzt im Wintersemester weitergeht, war bis ein paar Tage vor dem Start nicht klar. Man hat sehr lange abgewartet, um zu sehen, wie sich die Neuinfektionen entwickeln – obwohl die Lage in Sachsen insgesamt viel entspannter ist als in anderen Bundesländern. Ich habe nach wie vor überwiegend Online-Lehrveranstaltungen, was sich im fünften Semester auch anbietet, weil wir vor allem klinisch-theoretische Fächer haben. Leider findet auch der Unterricht am Krankenbett nur eingeschränkt vor Ort statt. Einige Fächer versuchen hier eine Kombination aus Präsenz- und Onlineunterricht. Wie sich das Ganze mit weiter steigenden Fallzahlen entwickelt, muss dann noch konkretisiert werden.

Die Stimmung ist im Großen und Ganzen gut. Mir sind keine Studierenden bekannt, die etwas gegen die Maßnahmen haben. Ich hoffe, dass man die Erfahrungen in der digitalen Lehre in die nächsten Semester mitnimmt und das Angebot erweitert. Es macht das Studieren entspannter.“
 


Sarah Ugljesa (23) ist im achten Semester ihres Pharmaziestudiums an der Universität Marburg. Für ihren Kommilitonen Hüsrev Topel (23) beginnt gerade das vierte Semester. Fotos: privat

Sarah:

„Im März musste ich mein Wahlpflichtpraktikum in Pharmakologie abbrechen. Die Leistung wurde zwar anerkannt, es war trotzdem unschön, weil ich nicht so viel Einblick in den Bereich bekommen habe. Es ging dann erst einmal relativ chaotisch weiter. Wir haben unsere Dozenten schwerer erreicht, sie waren ständig in Konferenzen, um zu klären: Wie kann man die Lehre trotz Corona gut vermitteln? Das Sommersemester ging erst Mitte Mai richtig los. Erste Seminare wurden als Audio- oder Video-Dateien auf die Uni-Plattform hochgeladen. Das gab es davor nicht an unserer Fakultät. Die Einheiten im Labor wurden von fünf Wochen auf fünf Tage komprimiert, ein Testat gestrichen. Aber ich denke nicht, dass ich deswegen weniger gelernt habe. Wir mussten uns einfach mehr selbst erarbeiten. Ich muss unsere Professorinnen und Professoren sehr dafür loben, wie sie mit der Situation umgegangen sind. Aller Anfang ist eben schwer.

Das Studium hat sich durch Corona individualisiert. Normalerweise haben wir uns in Lerngruppen in der Bibliothek zusammengesetzt. Jetzt tauschen wir uns vor allem per Sprachnachricht aus, was ich anstrengender finde. Da Marburg als Risikogebiet gilt, wird es auch im Wintersemester erst einmal keine Präsenzveranstaltungen geben. Ich rechne nicht damit, dass wir vor meinem Abschluss wieder Normalbetrieb haben werden. Wir werden unser zweites Staatsexamen wahrscheinlich auch nicht feiern, weil die Kasse des Semesters leer ist. Es gibt keine Gelegenheit, Geld zu sammeln, das läuft sonst zum Beispiel über Kuchenverkäufe auf dem Campus. Für die nachfolgenden Jahrgänge hoffe ich, dass sich das alles so schnell wie möglich legt, man sich wieder treffen und das Studium zelebrieren kann.“


Hüsrev:

„Nach den Startschwierigkeiten klappte das mit den Online-Vorlesungen recht gut. Wir hatten zum ersten Mal die Möglichkeit, uns ein Thema mehrfach anzuhören, das war sogar eine Bereicherung. Man muss an der Stelle die Dozenten und Assistenten loben. Das steckte sehr viel Arbeit drin, zum Beispiel im Labor: Es gab für jeden Einzelnen weniger Labortage und Versuche vor Ort, dafür insgesamt mehr Gruppen, die alle betreut werden mussten. Wir haben einen Teil der Aufgaben schriftlich abgeliefert, was auch einen Mehraufwand an Korrekturen bedeutet hat. Studierende haben Videos produziert, in denen sie Laborgeräte und Arbeitsschritte erklärt haben.

Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu Hause zu lernen. In die Bibliothek gehe ich kaum noch, weil das sehr umständlich geworden ist. Wir müssen uns online anmelden, die Reservierungen aber ausdrucken und auf den Tisch legen. Die Security geht durch den Raum und kontrolliert die Zettel. Klar braucht man zu Hause mehr Selbstdisziplin, und es fehlt der persönliche Kontakt. Wenn man sich beim Lernen verloren fühlt, kann man sich trotzdem per Chat oder über Telefon mit Kommilitonen austauschen.

Zurzeit nehme ich an zwei Chemie-Vorlesungen teil, alles online. Wir können vorab in einem Forum Fragen stellen, auf die unsere Dozenten in der Vorlesung antworten. Sie gehen mit der Technik inzwischen souveräner um. Die Vorlesungen haben vor dem offiziellen Start des Wintersemesters begonnen, damit wir mehr Zeit haben, uns aufs erste Staatsexamen vorzubereiten. Im Frühjahr hatten die Viertsemester extremen Stress, weil sich ihre letzte Klausur verschoben hat und sie trotzdem kurz danach das Staatsexamen ablegen mussten. Das wurde für uns zeitlich entzerrt.

Es herrscht trotzdem noch viel Unsicherheit. Zum Beispiel darüber, wie das Praktikum der instrumentellen Analytik im November ablaufen soll. Da hören wir von den Profs: ‚Geplant ist es so und so, aber das kann sich jederzeit ändern, bleiben Sie informiert.‘ Ich plane nur mit dem, was ich gerade in der Hand habe.“