Was junge Ärzte sich wünschen

Symbolbild
  • Beruf & Karriere
  • 07.09.2018

Geregelte Arbeitszeiten im Krankenhaus? Babypause? Schwache Argumente, wenn es um gute Chirurgie geht.

Meint zumindest der Chirurg Prof. Dr. Jakob Izbicki, Klinikdirektor des Zentrums für Viszeral-, Thorax- und Allgemeinchirurgie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Aus seiner Sicht laufen die Wünsche der jungen Generation zu Berufs- und Privatleben häufig konträr und lassen sich zumindest ab einem gewissen Grad nicht mehr vereinbaren, wie der Chirurg unter anderem auf Ärztekongressen sagt. „Als ein Oberarzt von mir Elternzeit wollte, bin ich fast hintenüber gefallen!“ Kurz: Wenn Eltern die große Chirurgie machen wollten, aber wegen ihrer Kinder nach der OP keine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit bieten können, um im Zweifel Komplikationen zu versorgen, dann gehe Chirurgie und Familie nicht unter einen Hut.

Klar, dass die betroffenen jungen Ärzte das vollkommen anders sehen. „Die „da oben“ müssen wissen, wo wir stehen, dass uns Work-Life-Balance wichtig ist, was wir darunter verstehen: eben auch Papa-Monat und Erziehungsurlaub“, sagt zum Beispiel der Medizinstudent Andres Eilers. Die junge Katharina Thiede, Ärztin in Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin in Berlin, kritisiert vor diesem Hintergrund auch die enge Verflechtungen von wirtschaftlichen und medizinischen Belangen im Krankenhaus. „Der Knackpunkt ist: Wir wollen Ärzte sein, aber wir sind nicht dazu da, das Einkommen von Klinikträgern und Chefärzten zu mehren“, sagt Thiede.

Erziehungsurlaub für Väter - ein Tabu?

 

Solche Stimmen gibt es viele unter jungen Ärzten, Klagen über steile Hierarchien in den Krankenhäusern oder familien-unfreundliche Arbeitszeiten sind nicht neu. „Bei den Unikliniken vor allem ist es immer noch verpönt, dass Väter in den Erziehungsurlaub gehen. Leider“, sagt Konstantin Güldner, Medizinstudent aus Köln. „Gerade die älteren Chefärzte gehen davon aus, dass die Frauen zuhause bleiben und den Männern die Karrieresprünge ermöglichen. In den 70er und 80er Jahren, als die heutigen Chefärzte gelernt haben, war das gesellschaftliche Klima eben noch ganz anders.“

Jana Aulenkamp
(Foto: Christian Beneker)

Der heutige Ärzte-Nachwuchs indes hat keine Lust auf eine derart starre Rollenverteilung. „Anders als manche Chefärzte der alten Generation bin ich der Meinung, dass ich durchaus eine gute Mutter und eine gute Ärztin sein kann“, betont Jana Aulenkamp, Medizinstudentin aus Bochum. Sie steht kurz vor dem PJ. „Die Frage braucht man eigentlich gar nicht zu stellen - für uns junge Ärztinnen und Ärzte gibt es da beruflich gesehen keinen Unterschied, ob Frau oder Mann. Wer wirklich will, wird auch eine gute Ärztin und ein guter Arzt.“

Ist in Schweden alles besser?

In Skandinavien funktioniere es doch auch, dass junge Ärztinnen und Ärzte bis drei oder vier Uhr arbeiten und noch Zeit haben für Hobbies, die Familie oder auch die Forschung, meint Aulenkamp. Und sie würden trotzdem gute Oberärzte. „Es sind die Rahmenbedingungen hierzulande, die es uns schwer machen. Ich möchte jedenfalls in meinem Berufsleben Familie und Beruf verbinden, als Ärztin arbeiten und zugleich etwas eigenes aufbauen.“

Klinikdirektor Izbicki dagegen hält wenig davon, sich an den schwedischen Verhältnissen zu orientieren. Denn in Schweden hätten die Mütter kein Problem damit, ihren Nachwuchs früh in die Krippe zu geben. In Deutschland dagegen blieben die Kinder länger zuhause, die Mütter fielen länger aus, wie er meint. Natürlich, er habe seine Kinder damals nicht aufwachsen sehen, sagt Izbicki. Aber das sei eben der Preis für medizinische Exzellenz: "Sie kostet Zeit und Engagement - und das eben häufig über die normalen Dienstzeiten hinaus."

Izbicki hat ein anderes Zukunftsmodell. Er setzt auf „Light- und Heavy-Duty Fachärzte oder die Superspezialisierung, zum Beispiel auf die Pankreaschirurgie“, also auf durchschnittliche und Spitzenärzte. Man könne eben nicht Hochleistungs-Mediziner oder -Medizinerin werden und parallel eine Großfamilie haben, meint Izbicki. "Dies trifft im übrigen genauso auf alle anderen Berufsgruppen zu. Cristiano Ronaldo könnte auch nicht so erfolgreich Fußball spielen und gleichzeitig zehn Kinder großziehen."

„Wir wissen, was wir wert sind.“

Konstantin Güldner
(Foto: Christian Beneker)

Vielleicht wird es eines Tages so weit kommen. Doch viele junge Ärzte bezweifeln, dass es dann auch genug Kollegen gibt, die an derart auf Hochleistungsmedizin spezialisierten Kliniken arbeiten wollen. Offen ist ihnen zufolge auch, ob die Patienten tatsächlich bereit wären, dann weite Wege zu solchen Häusern in Kauf zu nehmen. „Das Problem ist: Die Leute, die heute an der Macht sind, haben sich nicht auf die neuen Umstände eingelassen“, sagt der Kölner Medizinstudent Konstantin Güldner. „Sie gehen bald in Rente und denken sich: Nach mir die Sintflut! Aber wir können uns aussuchen, wohin wir gehen. Wir sind meistens polyglott und wissen, was wir wert sind."

Ständig am Limit?

Immer mehr Umfragen und Studien belegen, dass junge Ärzte mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen vor allem in Kliniken unzufrieden sind: Viele bemängeln eine enorme Arbeitsverdichtung, die zu wenig Zeit für die Patienten lässt. Die apoBank hat für ihre Studie "Zukunftsbild Heilberufler" 2017 Nachwuchskräfte befragt, was sie sich stattdessen wünschen: Zwar können sich über 40 Prozent der jungen Mediziner vorstellen, auch in Zukunft als Angestellte im Krankenhaus zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der befragten Ärztinnen und Ärzte meint aber, es müsse in Zukunft weniger Schichtdienste geben. Über 70 Prozent plädieren außerdem für flexiblere Arbeitszeitmodelle.