Muss die Medizin sich ändern?
Dr.med. Barbara Schmeiser schließt gerade ihre Weiterbildung in einem Fach ab, das zu den klassischen Männerdomänen in der Medizin gehört: Die 34-jährige wird Neurochirurgin. Seit 2011 arbeitet und forscht sie an der Uniklinik Freiburg, ihre Schwerpunkte sind Epilepsie und Neuroonkologie. Parallel dazu engagiert Schmeiser sich als Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB).
Frau Schmeiser, warum gibt es eigentlich so wenige Frauen in Ihrem Fach?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Arbeitszeiten in vielen neurochirurgischen Kliniken sind eher unflexibel und die Belastung ist hoch. Hinzu kommt, dass ich in der Neurochirurgie nicht nur in der Theorie fit sein muss, sondern auch stets meine Fingerfertigkeit üben muss. Familienpausen sind da eine eher schwierige Angelegenheit. Als Chirurgin bin ich außerdem mehr an die Klinik gebunden als in anderen Fachbereichen. An Unikliniken kommt hinzu, dass es noch recht elitär zugeht und unter den Kolleginnen und Kollegen eher der Wettbewerb gefördert wird als Kooperation. Alle diese Punkte halten viele Ärztinnen meiner Meinung nach davon ab, diesen Weg zu gehen.
Und wie überwinden Sie persönlich diese Hürden?
Ich stehe ja noch ganz am Anfang. Und ich habe keine Kinder, kann also nicht sagen, wie es wäre, wenn ich die Familienplanung vorangestellt hätte. Kolleginnen, die in der Facharztausbildung schwanger wurden, haben diesbezüglich bisher schwierige Erfahrungen gemacht.
Weil sie aus der Übung kamen?
Sie mussten lange pausieren. Das bisherige Mutterschutzgesetz hat dazu geführt, dass Ärztinnen schon nach Bekanntgabe der Schwangerschaft nicht mehr operieren durften. Chefärzte und Chefärztinnen hatten Angst vor Klagen: Was, wenn der Stress im OP zu Komplikationen in der Schwangerschaft führt? Oder wenn sich die Mitarbeiterin verletzt und mit Krankheitserregern infiziert?
Inzwischen ist das Mutterschutzgesetz ja reformiert worden...
Ja, seit Januar 2018 ist das neue Gesetz in Kraft. Die Hauptverantwortung liegt bei den beaufsichtigten Institutionen der einzelnen Kliniken. Wichtig ist, dass die Krankenhäuser anfangen, neue Leitlinien für schwangere Ärztinnen für jedes einzelne Fachgebiet zu formulieren, um klar festzulegen, welche Aktivitäten eine schwangere Kollegin durchführen kann beziehungsweise darf. Dazu ist auch eine Gefahrenbeurteilung jedes einzelnen Arbeitsplatzes erforderlich. An unserer Klinik haben wir das bereits begonnen. Ziel des Ärztinnenbundes ist es, an allen Kliniken bundesweit einheitliche Bestimmungen für alle Ärztinnen zu etablieren und einen solchen Katalog für jedes Fachgebiet zu erstellen.
Abgesehen von diesem Fortschritt beim Mutterschutz – wie können Kliniken familienfreundlicher werden?
Die Medizin muss sich insgesamt ändern. Denn die nachwachsende Ärztegeneration legt mehr Wert auf Privatleben und Flexibilität. Viele junge Kolleginnen und Kollegen wünschen sich flexible Arbeitszeiten und neue Modelle wie beispielsweise Jobsharing. Vielerorts scheitert das am Personal und an der Finanzierung. Aber oft ist es auch eine Frage der Organisation. Es gibt Abteilungen in Kliniken, die die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten einhalten – während in demselben Haus an anderer Stelle unbezahlte Überstunden üblich sind. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Auch dafür möchte ich mich später als Führungskraft einsetzen.
Zukunftsbild Heilberufler 2030
Was wünschen sich junge (Zahn-)Mediziner und Pharmazeuten, männlich wie weiblich, für die Zukunft? Wie stellen sich Young Professionals ihr Berufsleben im Jahr 2030 vor - und was unterscheidet die Wünsche von Frauen und Männern?
Das hat die apoBank 2017 zusammen mit dem renommierten Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa 2017 in einer groß angelegten Studie untersucht. Eines der Ergebnisse: 66 Prozent der befragten Ärztinnen wünschen sich, in Zukunft in Teilzeit zu arbeiten. Bei den Männern können sich das nur ein Drittel vorstellen.
Was genau wollen Sie selbst beruflich erreichen?
Ich möchte als Fachärztin auch weiterhin wissenschaftlich arbeiten. Langfristig strebe ich Personalverantwortung an. Ich finde es schön, im Team zusammenzuarbeiten und Abläufe zu organisieren. Im Kleinen kann ich das jetzt schon verwirklichen, wenn ich jüngere Kolleginnen und Kollegen anleite.
Oft heißt es, Frauen fehlen weibliche Vorbilder in männerdominierten Bereichen..
In meinem Fall gibt es so ein Vorbild durchaus: Eine frühere leitende Oberärztin ist für mich ein Vorbild. Ihr Führungsstil war streng, aber sehr unterstützend. Alle wurden gleichberechtigt behandelt und hatten die gleichen Chancen. Es gab keine Bevorzugungen. Beeindruckend war auch ihre unglaublich tolle Organisation.