Erst Operationstechnischer Assistent, jetzt Medizin-Stipendiat

  • Studium & Lernen
  • 21.06.2019

Nach einer Ausbildung und mehreren Jahren im Job noch Medizin studieren? Der gelernte Operationstechnische Assistent Patrick Anthony Skura aus Lübeck zieht es durch. Ein Stipendium für berufserfahrene Studierende erleichtert ihm den Kraftakt.

Fragt man Patrick, warum ihn die Medizin fasziniert, denkt er keine Sekunde nach. Sein Schlüsselerlebnis hatte er als kleiner Junge: Er verletzte sich schwer am Finger, ein Unfallchirurg flickte die Wunde – und der Patient war nachhaltig beeindruckt: „Dass man geplatzte Haut überhaupt nähen kann. Und dann waren die Leute mit den Masken auch noch so nett zu mir!“ Sein späteres Ich stellte er sich genauso vor: mit Mundschutz und medizinischem Gerät, routiniert und fürsorglich. Dieses Bild änderte sich auch nach dem Abitur nicht, obwohl Patrick wusste, dass ihm mit seinem Durchschnitt von 2,3 eine lange Wartezeit bevorstehen würde.

Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Marienkrankenhaus Hamburg absolvierte er dort eine Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten (OTA), die ihm die Tür zum OP öffnete. Sein Spiegelbild sah seinem Wunsch-Ich nun schon sehr ähnlich. Den Chirurgen zu assistieren, reichte Patrick auf Dauer nicht. „Ich war der Einzige an meiner Berufsschule, der später Medizin studieren wollte. Bei den OTA ist das weniger ein Thema als bei den Pflegefachkräften“, so sein Eindruck. Aus Sicht der Kliniken ist es durchaus wünschenswert, wenn qualifizierte OP-Assistenten ihrem Beruf treu bleiben, denn die Personalsituation ist ähnlich angespannt wie in der Pflege. Ein schlechtes Gewissen, eine Lücke zu hinterlassen, hat Patrick aber nicht: „Bei meiner Arbeit war ich immer voll bei der Sache. Und als Arzt werde ich auch dringend gebraucht.“
 

Foto: privat

Patrick Anthony Skura (28) wuchs in Hamburg auf. Er studiert im 4. Semester Humanmedizin an der Universität Lübeck. In seinem gelernten Beruf OTA arbeitete er ein halbes Jahr im Universitätsspital Basel. Während der Semesterferien zieht es ihn nach wie vor regelmäßig in die Schweiz, wo er an verschiedenen Kliniken jobbt. Qualifizierte OP-Assistenten verdienen dort deutlich mehr als ihre Kollegen in Deutschland.

 

Medizin ist seine Berufung, aber nicht nur

Als der OP-Assistent mit Mitte 20 aus dem Beruf ins Studium wechselte, musste er sich von seinem geregelten Einkommen verabschieden. Um gut über die Runden zu kommen, bewarb er sich um ein Aufstiegsstipendium der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) – mit Erfolg. Bis zum Ende seines Medizinstudiums erhält der 28-Jährige jeden Monat einen Betrag, der dem BAföG-Höchstsatz entspricht; oben drauf gibt es 80 Euro für Bücher. Außerdem darf Patrick einige Tausend Euro im Jahr dazuverdienen; während der Semesterferien jobbt er regelmäßig als „Fachmann für Operationstechnik“ in Schweizer Kliniken. Diese Ausflüge ins alte Berufsleben sind für den Studenten eine willkommene Abwechslung: „Wenn ich nach ein paar Monaten an der Uni wieder im OP stehe, fühle ich mich wie ein Fisch im Wasser.“

Eine hohe Motivation, sehr gute Noten in der Ausbildung, zwei Jahre Berufserfahrung – das sind die Pflichtkriterien, die Patrick für das Stipendium erfüllen musste. Wer mit ihm spricht, ahnt jedoch sofort, dass er die Förderung noch aus anderem Grund erhält. „Ich will mir keine Scheuklappen aufsetzen und schaue, was ich neben dem Studium und später neben dem Beruf sonst noch machen kann, sozial oder politisch“, erklärt Patrick. Für die SBB leitet er ehrenamtlich die Regionalgruppe in Lübeck, in der sich Stipendiaten vernetzen und gemeinsame Aktivitäten planen. Und er nimmt so viele Bildungsangebote wie möglich wahr.
 

Rechte Hand der Chirurgen

Operationstechnische Assistenten (OTA) sind verantwortlich fürs Praktische im OP. Vor einem Eingriff stellen sie Geräte, Instrumente und weitere Medizinprodukte bereit. Sie sorgen dafür, dass etwa Elektroskalpelle und Absaugsysteme richtig präpariert sind. Benötigt das Team zusätzliche Instrumente oder Materialien, kümmern sich OTA als OP-Springer darum. Die Assistenten kennen sich mit Krankenhaushygiene sehr gut aus und unterstützen beispielsweise auch dabei, Instrumente steril aufzubereiten und zu lagern.
 

Gesundheitspolitik fängt im Kleinen an

Politisch Interessierte hatten etwa im Frühjahr 2018 die Chance, über die SBB an einem Treffen mit Europa-Abgeordneten und Politikberatern in Brüssel teilzunehmen. Patrick fand das aufregend: „Es ist ein großer Unterschied, ob man zu Hause beim Frühstück über Politik diskutiert oder mit Leuten, die sich wirklich auskennen.“ Es ging um Themen wie den Plan des EU-Kommissionspräsidenten zur Einwanderungspolitik. „Damit muss man sich näher auseinandersetzen und sich das neben dem Studium erarbeiten.“ Kann er sich vorstellen, später selbst in einem Parlament mitzureden? Vielleicht, sagt er – Gesundheitspolitik liege bei ihm schon nahe. „Ich habe ein großes Erfahrungsspektrum aus dem Klinikbetrieb. Da kann mir keiner sagen: ‚Sie kennen sich nicht aus‘. Da ich aber keiner Partei angehöre, bin ich noch nicht aktiv politisch tätig.“

Aus seiner Sicht sollten medizinische Fachgremien und Klinikmanager dem nichtärztlichen Personal mehr Gehör schenken. Zum Beispiel wenn es um Leitlinien für Krankenhäuser gehe oder um ganz konkrete Probleme, etwa eine zu starre OP-Planung: „Wird ein OTA krank, ist es leider gang und gäbe, dass ein Springer zwei Säle betreuen muss – und das wird nicht honoriert“, kritisiert Patrick. Ob er später wirklich mitmischen wird in Gremien oder einer Partei, hält er sich offen. Ihm sei vor allem wichtig, sich ganzheitlich zu bilden. Seine wenige Freizeit nutzt er gern dafür, fachfremde Bücher zu lesen, etwa über Ökonomie oder Geopolitik. „Was dabei hinten runterfällt, ist das Privatleben“, gibt er zu. „Ich treffe mich gern mit Freunden, bin aber kein Partylöwe.“ Und wer denkt, Patrick sei ein Streber, dem steckt er ganz offen: In manchen Studienfächern fehle es auch ihm an Elan. „Neulich habe ich deswegen eine Klausur verhauen.“