Hogwarts mitten in Brandenburg

Medizinsiche Hochschule Brandenburg_MHB
  • Studium & Lernen
  • 19.06.2017

Medizinstudium in Brandenburg? Gibt’s nicht! Das war bis 2015 Realität. Dann hat die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) ihre Pforten geöffnet. Seitdem starten jedes Jahr 48 Studenten in ihr Medizinstudium. Wir haben mit zwei von ihnen gesprochen. Und zwar darüber, wie das Studium an einer neuen Hochschule ist, was das besondere an ihrem Modellstudiengang ist und ob sie in Brandenburg auch dauerhaft eine Perspektive für sich sehen.

Zu den ersten 48 Medizin-Studenten an der MHB gehörte Bertram Otto, der heute im 5. Semester studiert: "Es ist natürlich wahnsinnig aufregend, als einer der ersten an einer neuen Hochschule zu starten. Aber ich war schon immer risikofreudig und habe gerne mitbestimmt. Zuerst dachte ich, es wird bestimmt chaotisch, die Vorlesungen finden auf der Wiese statt, weil die Räumlichkeiten fehlen und keiner weiß, was in den Prüfungen dran kommt. Und dann lief alles erstaunlich glatt", berichtet der 29-Jährige.

Persönliche Eignung wichtiger als NC

Der Weg an die MHB führt nicht ausschließlich über den NC, sondern über ein ausführliches Auswahlverfahren, bei dem die persönliche Eignung und Motivation im Mittelpunkt stehen. "Im ersten Schritt musste ich neben verschiedensten Unterlagen ein ausführliches Motivationsschreiben einreichen. Die Bewerbung hat dann darüber entschieden, ob man beim Auswahltag dabei ist", berichtet Lena Stürzebecher, die gerade ins erste Semester gestartet ist. "Beim Auswahltag mussten wir dann Konflikt- und Notfallsituationen durchspielen, uns in Gruppenarbeiten beweisen und im Interview mit Studenten, Professoren, Klinikvertretern und Ärzten bestehen." Als dann einige Wochen später die Zusage kam, war die Freude groß. "Meine erste Reaktion war 'Echt jetzt?! Krass'", erinnert sich die Studentin.

Kleine Gruppen - enger Kontakt zu den Professoren

In den Seminaren und Praktika arbeiten die Studenten in überschaubaren Gruppen von 24 bzw. 16 Personen zusammen; die Übungen werden in Kleingruppen von acht Leuten abgehalten. Entsprechend kennen die Professoren ihre Studenten häufig beim Namen - und offene Fragen können immer auch nach den Seminaren noch diskutiert werden. "Einmal hat uns ein Professor sogar noch eingeladen, das Thema bei einem Kaffee weiter zu erörtern", erzählt Bertram. Viele Studenten der MHB sehen in der überschaubaren Studentenzahl einen entscheidenden Vorteil. "Ich habe bewusst nach einer kleinen Fakultät gesucht", berichtet Bertram. "Und nach einer Uni, in der Klinik und Vorklinik nicht getrennt voneinander ablaufen. Plus: der Praxisbezug war mir wichtig." Und der wird an der MHB von Anfang an groß geschrieben.

Viel Praxisbezug ab dem ersten Tag

"In den ersten vier Wochen haben wir u.a. schon eine Kniegelenk-Untersuchung durchgeführt", erzählt Lena. "Dann heißt es: Sporthosen an und ran ans Knie der Kommilitonen." Natürlich braucht es dafür Vertrauen zu den Mit-Studenten. Aber seit der Einführungswoche sei man sowieso eine eingeschworene Gemeinschaft. "Wir sind eine Woche lang nur miteinander unterwegs gewesen, haben uns kennengelernt und viele Team-Building-Aufgaben überstanden. Das schweißt zusammen."

Ab dem zweiten Semester wird es dann richtig ernst. "Jede zweite Woche sind wir einen Tag lang in einer Praxis und lernen dort den Alltag kennen", berichtet Bertram, der selbst schon in einer hausärztlichen und einer pneumologischen Praxis hospitiert hat. Aktuell tummelt sich der Student bei einer Kardiologin. "Ich schaue bei vielen Untersuchungen zu, darf aber auch leichte Aufgaben - wie z.B. Blutabnehmen - selber erledigen. Und, ganz wichtig, man kann im direkten Kontakt weiter an der Arzt-Patienten-Kommunikation üben."

Der "TRIK" mit der Patientenkommunikation

Eines der Pflichtfächer an der MHB ist vom ersten Semester an die Kommunikation. Das TRIK-Modell (Teamarbeit, Reflexion, Interaktion, Kommunikation) begleitet die Studierenden vom ersten bis zum zehnten Semester. Alle zwei Wochen steht das Fach für vier Stunden auf dem Stundenplan. Rollenspiele, Übungen mit Schauspielpatienten und Kommunikationsmodelle stehen dabei im Mittelpunkt. "Es ist frappierend, wie sehr sich Gespräche mit Patienten nach dem zweiten und dem vierten Semester unterscheiden", berichtet Bertram. "Man merkt dann selber, dass es einem viel leichter fällt, die Patienten richtig abzuholen, sie in schwierigen Situationen zu begleiten und auch auf ängstliche Patienten gut zu reagieren."

Es ist Medizin - nicht Zuckerwatteland

Trotz aller Vorteile: Das Studium an der MHB ist anstrengend. Von den Studenten wird viel Eigeninitiative erwartet. Pflichtveranstaltungen sind deutlich seltener als in Regelstudiengängen - dafür müssen Fälle selbst erarbeitet werden. "Man darf sich nichts vormachen. Es ist Medizin - nicht Zuckerwatteland", gibt sich Lena realistisch.

Facharzt in Brandenburg machen, Studienbeitrag senken

Die MHB hat es sich nicht nur zum Ziel gesetzt, Mediziner mit Persönlichkeit auszubilden. Sie will auch die Facharztversorgung in Brandenburg spürbar verbessern. Ein Ansatzpunkt ist daher, die Studierenden frühzeitig an die Brandenburger Kliniken heranzuführen. So besteht etwa die Möglichkeit, den Studienbeitrag von 115.000 Euro auf 35.000 Euro zu reduzieren, indem man einen Vertrag mit einer der vielen kooperierenden Kliniken schließt und dort seine Facharztausbildung absolviert - dabei können die Studenten ihre Fachrichtung frei wählen. Gerade für kleine Fächer, wie etwa Augenheilkunden, ist das attraktiv. Schließlich sind hier die Weiterbildungsplätze oft knapp. 

Einen Vertrag schon als Ersti in der Tasche

"Ich habe einen Vertrag mit dem Städtischen Klinikum Brandenburg geschlossen und werde dort meine Facharztweiterbildung machen", erzählt Lena. Und die gebürtige Brandenburgerin kann sich gut vorstellen auch nach der Ausbildung in Brandenburg tätig zu sein.

Gleiches gilt für Bertram Otto. Der gebürtige Potsdamer will aber nicht ausschließen, dass es ihn danach doch noch in eine größere Stadt oder ins Ausland verschlägt: "In Brandenburg sind nicht alle Fächer besetzt. Wir haben hier zum Beispiel keine Infektologie oder auch keine Transplantationsmedizin. Dafür würde sich ein Abstecher in eine andere Stadt lohnen. Und wenn die Perspektiven stimmen, ist die Rückkehr nach Brandenburg ziemlich sicher."

Forschung inklusive

Eine weitere Besonderheit. Die Studenten haben schon während des Studiums die Möglichkeit, wissenschaftlich zu arbeiten. "Mich hat im zweiten Semester eine wissenschaftliche Mitarbeiterin gefragt, ob ich mit ihr an einer wissenschaftlichen Arbeit schreiben möchte. Da lässt man sich natürlich nicht zweimal bitten", erzählt Bertram . und ergänzt: "Für mich ist es super spannend, klinisch zu forschen. Denn dort, wo geforscht wird, sind die Patienten oft besser versorgt."

Hogwarts mitten in Brandenburg

Und was ist das Fazit? "Das Studium an der MHB ist noch besser als ich es mir vorgestellt habe", sagt Lena begeistert. "Es ist ein bisschen so wie nach Hogwarts zu kommen. Man weiß, es wird toll - aber verstehen kann man es erst, wenn man wirklich da ist."