Medizinstudium im Ausland. Wer wagt, gewinnt!

Giulia Förster studiert Humanmedizin an der Pommerschen Universität in Stettin
  • Studium & Lernen
  • 22.05.2017

Wenn Giulia Förster sich etwas vorgenommen hat, dann kann sie nichts und niemand davon abhalten. Deshalb hat die Münchnerin auch ohne ein Einser-Abitur einen Weg gefunden, sich ihren Traum vom Arztberuf zu erfüllen.

Seit Oktober 2016 studiert die 19-Jährige Humanmedizin an der Pommerschen Universität in Stettin. Der Umzug in die rund 760 Kilometer entfernte Stadt an der Odermündung hat sich gelohnt: Das Studium in Polen bietet ihr viele Chancen - zum Beispiel erstklassige Betreuung und niedrige Lebenskosten.

Du hast dich für ein Medizinstudium in Polen entschieden. Wie kam es dazu?
Ende der 11. Klasse war mir klar, dass ich unbedingt Medizin studieren möchte. Ich habe ein gutes Abitur gemacht, aber eben nicht die magische 1,0 erreicht, die ich für einen Studienplatz in Deutschland gebraucht hätte. Neben der Vorbereitung für den TMS-Mediziner-Test in Deutschland habe ich auch an dem MedAT-Test in Österreich teilgenommen. Beide Testergebnisse reichten leider nicht aus. Davon habe ich mich nicht entmutigen lassen. Im Gegenteil: Nach einer Teilnahme an einem Vorsemesterkurs in München und zwei mehrmonatigen Praktika in einem Krankenhaus in Bogenhausen sowie einem Kinderwunschzentrum in Berlin stand für mich der Entschluss fest, ins Ausland zu gehen, um dort meinen Traum zu verwirklichen.  

Gab es an der Pommerschen Universität ein bestimmtes Aufnahmeverfahren?
Außer einem TOEFL-Englischtest gab es keine weiteren Aufnahmeprüfungen vorab. Ich habe also keine Zeit verloren und konnte dort sofort loslegen.

Der komplette Unterricht findet auf Englisch statt. Wie kommst du damit zurecht?
Da meine Mutter Amerikanerin ist, hatte ich das Glück, zweisprachig aufzuwachsen. Trotzdem fällt es mir manchmal schwer, die Unterrichtsinhalte zu verstehen. Das liegt dann aber nicht nur allein an der Sprache. Wäre alles auf Deutsch, müsste man auch vieles neu lernen. Insgesamt ist es dadurch ein bisschen schwerer, aber es ist auf jeden Fall machbar.

Welche Vorteile bietet dir das Studium an der Pommerschen Universität in Stettin?
Eine Besonderheit sind die vielen regelmäßigen Tests. Es ist ein sehr verschultes System, was einen zwingt und gleichzeitig fördert, ständig am Ball zu bleiben. Zu einer Lernpause kommt es dabei automatisch nicht. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass wir in den Kursen gerade einmal jeweils 18 Teilnehmer sind. In Fächern wie Anatomie oder Histologie werden wir sogar noch in zwei Gruppen unterteilt. Zusammen mit den Zahnmedizinern sind wir insgesamt 120 Studierende in meinem Jahrgang.

Wie ist der Kontakt zu den Professoren?
Die Gruppen sind sehr klein, so dass man einen engen Kontakt zu den Professoren hat. Da wir mehrmals in der Woche von ihnen unterrichtet werden, dürfen wir sie sogar mit dem Vornamen ansprechen, und sie kennen natürlich auch unsere Namen. Durch die kleinen Gruppen und den persönlichen Kontakt zu den Professoren  ergibt sich für mich der riesige Vorteil, alles nachfragen zu können, was ich nicht verstanden habe.

Wie hoch sind in etwa deine monatlichen Kosten?
Für die Wohnung und den Lebensunterhalt brauche ich monatlich um die 500 Euro, für die Uni fallen pro Semester 5.100 Euro an.

Planst du, an der Uni in Stettin zu bleiben oder erwägst du einen Studienortwechsel?
Ich plane, erst einmal hier zu bleiben und vielleicht nach dem ersten Jahr nach Deutschland zu wechseln. Wenn das nicht klappen sollte, dann versuche ich es ein Jahr später nach dem Physikum.

Wird das Examen in Deutschland anerkannt oder musst du dafür noch eine weitere Prüfung ablegen?
Der Abschluss wird anerkannt. Allerdings muss man zusätzliche Kurse belegen, die in Polen normalerweise nicht angeboten werden, in Deutschland aber Pflicht sind, wie zum Beispiel Terminologie oder Psychologie. Das bietet die Uni in Stettin aber auch an.

Hast du dich auch privat in deiner neuen „Zweit"-Heimatstadt eingelebt?
Stettin ist eine wunderschöne, kleine, süße Stadt direkt an der Oder. Ich lebe mit einer Kommilitonin aus meinem Kurs in einer Wohngemeinschaft zusammen. Wir haben relativ schnell eine Wohnung gefunden, die auch sehr günstig für die Größe ist. Da vor Semesterbeginn bereits eine Kennenlernwoche sowie ein Wochenendtrip an die polnische Ostseeküste auf dem Programm stand, war es überhaupt kein Problem, neue Freundschaften zu knüpfen.

Was machst du in Stettin, wenn du nicht gerade lernst?
In meiner Freizeit gehe ich häufig runter zur Promenade oder in die Altstadt. Dort gibt es wirklich viele, tolle Restaurants. Ein weiteres Plus für Stettin sind die Preise, die viel niedriger sind als in München. Mit Freunden essen, feiern oder tanzen zu gehen, ist sehr günstig hier und macht deshalb natürlich umso mehr Spaß.

Welches Ziel hast du für die nächsten Jahre? Gibt es bereits eine Fachrichtung, die du besonders spannend findest?
Auf jeden Fall möchte ich so erfolgreich weitermachen, wie ich angefangen habe. Mein Ziel ist es, mein Bestes zu geben und selbst stolz zu sein auf das, was ich mache und jede Woche erreiche. Im Moment finde ich die Fachrichtungen Chirurgie und Gynäkologie  sehr spannend. Aber ich lerne ja noch in den kommenden fünf Studienjahren viele weitere Fachrichtungen kennen, die sicherlich genauso interessant sind.

Welche Empfehlung würdest du Abiturienten geben, die von einer beruflichen Zukunft als Arzt träumen, aber den NC nicht schaffen?
Mein Rat ist, niemals aufzugeben, denn Noten sagen nichts über einen aus! Ich denke, wenn man wirklich etwas erreichen möchte oder einen großen Traum hat, dann muss man an ihm festhalten und so lange alles dafür geben, bis er sich erfüllt. Was natürlich auch von Vorteil ist, wenn man überall einen guten Eindruck hinterlässt und sich einen guten Ruf verschafft. Außerdem ist es wichtig, gute Kontakte zu knüpfen. Denn das kann schließlich nie schaden.