Draufsatteln zum Doktor digital

  • Beruf & Karriere
  • 31.08.2018

Tele-Sprechstunden, Gesundheits-Apps, vernetzte Geräte: Die Medizin wird immer digitaler. Spezielle Studiengänge verknüpfen IT-Knowhow mit medizinischem Fachwissen. Was können Absolventen damit anfangen?

Hautsensoren, die vor epileptischen Anfällen warnen. Smartphone-Apps, die Symptome abfragen und eine Erstdiagnose liefern. OP-Monitore, die Ultraschall- oder CT-Aufnahmen mit den Live-Bildern eines Herzkatheter-Eingriffs überlagern. Solche neuen digitalen Lösungen verändern die Forschung, verbessern Therapien und Prävention. Überall im Gesundheitswesen wird IT-Wissen gebraucht – auch in der Verwaltung von Kliniken, Arztpraxen und Krankenkassen. Und oft genügt es nicht, wenn sich Projektleiter und Entwickler mit Computersystemen und Programmierung auskennen. Sie sollten auch medizinisches Verständnis mitbringen.

Einige deutsche Hochschulen bieten darum interdisziplinäre Studiengänge an, die Heilberufler für neue Berufsbilder im Gesundheitswesen qualifizieren sollen. Beispielsweise startet im Wintersemester 2018 an der gemeinsamen Digital-Engineering-Fakultät des Hasso-Plattner-Instituts und der Universität Potsdam ein neuer Master-Studiengang Digital Health, der sich explizit an Informatiker und Mediziner richtet. Wir haben mit dem Fachgebietsleiter Professor Dr. Erwin Böttinger darüber gesprochen, was die Studierenden erwartet.

Herr Professor Böttinger, wo werden Absolventen Ihres Studiengangs gebraucht?

Wir bilden im Wesentlichen für zwei große Arbeitsfelder aus. Erstens richten wir uns an Personen, die neue digitale Produkte entwickeln wollen, zum Beispiel Apps, Spezialsoftware für Praxen oder vernetzte Medizingeräte. Dieses Berufsbild kommt eher für Bachelor-Absolventen aus technischen Studiengängen in Frage, zum Beispiel für Software-Ingenieure. Zweitens richten wir uns an Studierende, die später die digitale Transformation im Gesundheitswesen vorantreiben wollen, etwa als IT-Leiter in Kliniken, bei Krankenkassen oder Behörden. Hier gibt es viele neue Arbeitsfelder für Mediziner mit IT-Knowhow. Zu ihren Aufgaben gehört es zum Beispiel, neue Systeme einzuführen, zu entscheiden, welche Software eingekauft wird und zu gewährleisten, dass die Institution ihre Daten absichert.
 

IT-Studiengänge für Mediziner

Zum Stichwort „Medizinische Informatik“ liefert der Hochschulkompass aktuell 57 Treffer. Etwa die Hälfte davon sind Bachelorstudien; zum Teil ist das Thema Gesundheit als Schwerpunkt in Informatikstudiengängen enthalten. Wer bald seinen Abschluss in Humanmedizin macht und über einen Master mit IT-Bezug nachdenkt, muss genau hinschauen. Offen für Nicht-Informatiker sind nur wenige Angebote, unter anderem das der Universität Potsdam, der Beuth Hochschule für Technik Berlin oder der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm.
 

 

 

Können Sie Beispiel dafür nennen, bei welchen IT-Themen Mediziner dieses Know-how brauchen?

Zum Beispiel könnten Ärzte schon bald Telemedizin im großen Stil anbieten. Dafür braucht man eine sichere Software und Infrastruktur; man muss die Anwender schulen und einen Support aufbauen. Ein anderes großes Thema ist die elektronische Patientenakte. Wenn man diese Akte einführen will, braucht man neue IT-Lösungen, um Daten aus Praxen und Kliniken zusammenzuführen.

Was können Absolventen Ihres Studiengangs besser als ein Team aus IT-Spezialisten und Medizinern?

Wir bilden einen neuen Typus von Spezialisten aus. Im Studium lernen sie, die Problemstellungen und die Sprache der jeweils anderen Disziplin zu verstehen. Sie können sich schneller in Themen hineindenken.

Wie international ist das Berufsfeld? Viele Tech-Unternehmen sitzen im Ausland...

Das stimmt. Wahrscheinlich werden viele unserer Absolventen später im Ausland arbeiten. Darum ist unser Studiengang auch englischsprachig. Sowohl Technologiekonzerne als auch Mittelständler und Startups der Branche sind international aufgestellt – der Standort Deutschland ist dabei aber ebenfalls wichtig. Digital-Health-Absolventen haben also im In- und Ausland viele Optionen.

Sie haben bis vor kurzem an Hochschulen in den USA gearbeitet. Können deutsche Studiengänge im Bereich Digital Health mit den Angeboten in den Staaten mithalten?

Deutschland ist bei diesem Thema kein Entwicklungsland – diesen Begriff hört man oft, ich mag ihn überhaupt nicht. Es gibt einen gewissen Vorsprung in den USA, aber auch hier in Deutschland haben die Hochschulen den Trend erkannt.
 

Kompetenzzentrum apoHealth

Wie verändern neue digitale Lösungen den Gesundheitsmarkt? Wer braucht was - und wie können vor allem Ärzte und Apotheker von innovativen Ideen profitieren? Die apoBank hat dazu ein eigenes Digital-Health-Kompetenzzentrum ins Leben gerufen: apoHealth bündelt die gesamte Expertise der apoBank zu Themen, Fragestellungen und Ideen rund um das Thema Digital Health. Hier entstehen gerade Services, die Heilberuflern mehr Orientierung und Unterstützung bei der Digitalisierung in ihrem Arbeitsalltag bieten sollen.