Investor Relations statt Apotheke

Anne Hennecke, Managing Partner MC Services
  • Beruf & Karriere
  • 28.10.2019

Klar, sie war schon in der Schule gut in Naturwissenschaften. An die Chemie-Lehrerin, die so großartig erklären konnte, erinnert Anne Hennecke sich noch heute. Dazu kam die Heilberufler-Familie. Speziell ihr Vater, ein Arzt, der die begabte Tochter unbedingt in einem „anerkannten“ Beruf sehen wollte. „Der war völlig entsetzt, dass ich mich trotz guter Abiturnoten auch für ein Sprachen-Studium und fürs Marketing interessiert habe“, erzählt Anne.

Dass sie mal einen Beruf haben würde, der all ihre Interessen verbindet? Unvorstellbar, damals mit 19. Heute aber hat sie genau das geschafft: Sie ist Partnerin in einer Kommunikationsberatung, die sich auf die Life-Sciences-Industrie spezialisiert hat. „Das hat sich über die Jahre so entwickelt – und ist für mich einfach das perfekte Modell.“

Jeden Tag hinterm Verkaufstresen stehen?

Zunächst sieht ihr Werdegang noch ganz klassisch aus. Pharmaziestudium, unzählige Stunden im Labor, geduldig darauf wartend, dass der Versuch endlich klappt wie gefordert. Wieder ein guter Abschluss, danach als junge Approbierte zwei Jahre lang angestellt, in kleinen und großen, ländlichen und großstädtischen Apotheken: „Ich bereue diese Zeit überhaupt nicht, das hat viel Spaß gemacht“, sagt Anne. „Aber für immer so weiterarbeiten, jeden Tag hinterm Verkaufstresen stehen? Das wäre nichts für mich gewesen.“

Nach einem USA-Aufenthalt sattelt sie doch noch ein Marketing-Studium drauf, berufsbegleitend in München. Parallel steigt sie als Trainee bei Schwarz Pharma ein, einem damals börsennotierten Pharmahersteller. Dort unterstützt Anne die Entwicklung von Branding-Strategien für die Produktlinien und führt das Arbeiten mit den damals noch neuen Medien, mit eMails und Websites, im Unternehmen ein. Als die ambitionierte Quereinsteigerin in die Finanzkommunikation wechselt, weiß sie, dass sie ihr Feld gefunden hat. Strategien zu entwickeln, um Investoren und Journalisten von der Wachstums-Story eines Unternehmens zu überzeugen – dafür brennt sie, heute immer noch.    

Feuertaufe Börsengang

Wie sieht es mit dem EBIT des Unternehmens aus? Wie mit den CAPEX? Solche Analystenfragen lösen anfangs noch Panik bei ihr aus. „Im Pharmaziestudium spielt das Wirtschaftliche ja leider kaum eine Rolle.“ Anne eignet sich das meiste Wissen darüber im Job an, im Austausch zum Beispiel mit den Kollegen aus der Finanzabteilung, aber auch in der Interaktion mit den Analysten. „Das war für beide Seiten praktisch: Die haben mir die Zahlen erklärt, ich ihnen die Besonderheiten der Wirkstoffe“.
 

Leitungsteam MC Services

Präsenz auf wichtigen Pharma-Events ist für die Kommunikationsberater Pflicht (v.l.n.r.: Claudia Riedl, Raimund Gabriel, Anne Hennecke, Kaja Skorka).
 

Bei Evotec, einem Biotech-Unternehmen mit Schwerpunkt Wirkstoffforschung, zu dem Sie 1999 wechselt, folgt ihre Feuertaufe. Als Chefin Investor Relations und Kommunikation managt Anne ihren ersten Börsengang – und lernt dabei viele der heutigen Kollegen kennen, unter anderem ihren Geschäftspartner Raimund Gabriel, mit dem sie jetzt die gemeinsame Firma leitet.

Alltagssprache Englisch, bunt gemischtes Team

MC Services ist mit der Spezialisierung auf den Life-Sciences-Sektor inzwischen Marktführer in Europa. Dreißig Mitarbeiter hat die Beratung, an vier Standorten in Deutschland, Großbritannien und den USA. Anne ist viel unterwegs, zu Kunden innerhalb Deutschlands, in Benelux, Italien, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Die Alltagssprache ist Englisch, das Team bunt gemischt.

Betriebswirte, Banker, Naturwissenschaftler, gestandene Journalisten und Medien-Experten entwickeln gemeinsam das, was Anne immer noch fasziniert: Strategien, die Investoren und die Medienwelt überzeugen sollen. Davon, dass ein Biotech-Unternehmen ihr finanzielles Engagement wert ist, dass ein neuer Wirkstoff den Kampf gegen schwere Krankheiten voranbringt oder die Kooperation zweier Anbieter einen Durchbruch in der Forschung ermöglichen kann. „Das Tolle ist, dass man es in der Biotech-Szene meist mit wirklich smarten Menschen zu tun hat,“ so Anne. „Die eine echte Mission haben, abseits vom Finanziellen.“
 

Traineeships bei MC Services

Du bist demnächst mit dem Studium fertig - und hast Lust auf einen Job abseits von Labor und Klinik? MC Services bietet immer wieder 18-monatige Traineeships an und freut sich über Bewerbungen von Pharmazeuten und Medizinern. Du solltest Dich für PR und Finanzkommunikation interessieren und Spaß daran haben, komplexe medizinische Themen in interessante Stories zu übersetzen. Aktuell ist zum Beispiel eine Trainee-Stelle in Düsseldorf ausgeschrieben. Mehr Infos zu den Karrieremöglichkeiten bei der Kommunikationberatung findest Du auf mc-services.eu/career/
 

„Man muss keine Rampensau sein“

Was sie jungen Pharmazeuten rät, die sich einen ähnlichen Weg wie ihren vorstellen können? „Früh Praktika in Biotech-Firmen machen und dort möglichst viele Abteilungen kennenlernen“, meint sie. „Und keine Angst vor Zahlen haben.“ Betriebswirtschaftliches Know-how könne man sich, Interesse vorausgesetzt, auch in der Praxis aneignen. Beim naturwissenschaftlichen Grundwissen sei das schon schwieriger, „es ist schon sinnvoll zu wissen, was ein Enzym ist und was ein Rezeptor“.
 

Team MC Services

Zum Team gehören Geistes- ebenso wie Naturwissenschaftler, Betriebswirte und Banker.
 

Wer Unternehmen berät, müsse außerdem Neugier mitbringen, gepaart mit Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft, eben eine Art „Berater-Gen“ in sich haben. „Aber man muss keine Rampensau sein, um bei uns einzusteigen. Ist jemand eher introvertiert, konzentriert man sich zum Beispiel auf Analysen und die konzeptionelle Arbeit.“

Mitfiebern bei der Live-Übertragung

Manchmal, erzählt sie, fiebere das ganze Team abends zusammen vorm Rechner mit, wenn die Sitzung eines Experten-Komitees der FDA live übertragen wird, die für die Medikamentenzulassung in den USA zuständig ist. Nein, zurück in die Apotheke – das kann sie sich nicht mehr vorstellen. Und selbst ihr Vater war am Ende überzeugt, dass Anne doch einen recht anerkannten Beruf ergriffen hat.