Zahnmedizin-Famulatur in Kambodscha

  • Studium & Lernen
  • 09.08.2019

In Kambodscha haben viele Familien andere Sorgen als die Zahnpflege. Entsprechend schlimm sehen oft schon die Milchgebisse der Kinder aus. Die Zahnmedizin-Studentinnen Lara Abraham und Alexandra Zorn aus Hannover behandelten während einer Famulatur Schulkinder in den Slums von Phnom Penh.

Einmal Angkor Wat sehen, den berühmtesten Tempel Kambodschas – das war Alexandras Traum. Ihre Schwester, ebenfalls Zahnmedizinerin, hatte schon eine Famulatur in dem Land absolviert und ihr davon vorgeschwärmt. Gemeinsam mit ihrer Studienfreundin Lara fand Alexandra über den Zahnmedizinischen Austauschdienst (ZAD) eine deutsche Organisation, die mehrere Plätze anbot: Mini Molars Cambodia ist die Initiative eines Zahnarztes aus Hamburg, der mit einer Kambodschanerin verheiratet ist. Die apoBank-Stiftung hat das Projekt mit drei mobilen Behandlungseinheiten unterstützt. „Wir haben uns für diesen Verein entschieden, weil wir dachten, dass die Vorbereitungen einfacher sind, wenn wir deutsche Ansprechpartner haben“, sagt Lara. Und diese Erwartung bestätigte sich.   

Sponsoren deckten einen Teil der Reisekosten

Ungefähr ein Jahr vor ihrer Reise begannen die beiden, alles zu organisieren. Eine Unterkunft in einem preiswerten Hotel suchten sie Studentinnen auf eigene Faust. „Mini Molars vermittelt zwar Zimmer bei Gastfamilien, aber die Adressen sind meistens in der Nähe der Praxis außerhalb von Phnom Penh. Wir wollten lieber zentral wohnen, damit wir mehr in der Stadt unternehmen konnten“, erklärt Alexandra. Einen Teil der Reisekosten trugen die Famulantinnen selbst, den Rest deckten Sponsoren ab, bei denen Lara und Alexandra um Geld- und Sachspenden baten. Vor allem Zahnputzzeug und medizinisches Verbrauchsmaterial wie Füllungen und Einmalhandschuhe sammelten die Studentinnen in großen Mengen.

Zum Ende ihres achten Semesters ging es dann los. Der Arbeitsort der deutschen Famulantinnen war denkbar exotisch: Die Zahnarztpraxis gehört zu einer Tempelanlage vor den Toren Phnom Penhs. Mini Molars nutzt auf dem Gelände kostenfrei einige Räume mit drei Behandlungseinheiten. Das einheimische Kernteam besteht aus einer Managerin, einer Zahnärztin und zwei Zahnarzthelferinnen. Neben Lara und Alexandra waren weitere ausländische Helfer dort, sowohl Famulanten als auch ein Zahnarzt aus Taiwan. Der Initiator Dr. Ulf Zuschlag verbrachte ebenfalls drei Wochen in Phnom Penh.
 

Hinterhof einer sozialen Einrichtung in einem der Slums von Phnom Penh
Foto: privat
 

Bei der Arbeit im Behandlungsraum von Mini Molars auf dem Pagodengelände
Foto: privat
 

Faule Kinderzähne – einige Eltern finden das lustig

Die Studentinnen assistierten den Zahnärzten und behandelten viele Patienten eigenständig. An ruhigen Tagen kamen fünf Leute in die Praxis, an anderen um die 30. Das kostenlose Angebot gilt eigentlich nur für Kinder; Erwachsene zahlen ungefähr drei US-Dollar für eine Behandlung, es sei denn, sie sind völlig mittellos. In Kambodscha geht sonst kaum jemand zum Zahnarzt. Schon bei den Kindern seien die Gebisse oft schwer geschädigt, so Lara: „Bei vielen waren die Zähne völlig abgefault, nicht nur die Milchzähne, auch schon die zweiten.“ Da half dann nur noch die Zange. Mit Extraktionen hatten die Studentinnen weniger Übung – mit ein paar Tipps von den erfahrenen Helfern funktionierte aber auch das reibungslos.

Irritierend fand Lara, wie einige Eltern mit ihren Kindern umgingen. „Die haben zum Teil über die kaputten Zähne ihrer Kinder gelacht. Da wurde ich richtig wütend, obwohl ich wusste: Diese Leute leben in Slums und haben einfach größere Probleme.“ Mini Molars arbeitet mit weiteren Hilfsorganisationen zusammen, die in den Armenvierteln von Phnom Penh tätig sind. Lara und Alexandra hatten jede Woche mindestens einen Außeneinsatz dort. Behandelt wurden vor allem Schulkinder, die allerdings keine staatlichen Schulen besuchen, sondern von Freiwilligen unterrichtet werden. Die Außeneinsätze waren sehr arbeitsreich und phasenweise seelisch belastend, fand Lara: „Es fällt schwer zu akzeptieren, wenn man bei ernsten Erkrankungen nicht helfen kann. Zum Beispiel war da eine ältere Frau, die wahrscheinlich ein Plattenepithel-Karzinom am Gaumen hatte. Wir konnten ihr nur raten, ins Krankenhaus zu gehen. Aber wie soll sie das ohne Geld machen?“
 

Bei ihren Außeneinsätzen versorgten Lara (links) und Alexandra die Patienten mit einer mobilen Behandlungseinheit.
Foto: privat
 

Tüchtig arbeiten, fleißig reisen

Nahezu jede freie Minute nutzten die Freundinnen, um Phnom Penh oder andere Orte in der Nähe zu erkunden, unter anderem das Genozid-Museum in der Hauptstadt, das an die Gräueltaten der Roten Khmer erinnert. Nach der fünfwöchigen Famulatur gingen die beiden Deutschen noch einen Monat auf Reisen: unter anderem nach Angkor Wat, Luang Prabang in Laos, Hanoi im Norden Vietnams und Bangkok in Thailand. Meistens mieteten sie einen Motorroller und klapperten Sehenswürdigkeiten ab oder machten geführte Touren. Laras Tipp für Besucher, die Land und Leute richtig kennenlernen möchten: „Über Trip Advisor kann man in Kambodscha einheimische Guides buchen, die einen anschließend nach Hause zum Essen mit ihrer Familie einladen.“

Eines der Highlights ihrer Reise war eine Bootstour in Ninh Binh. „Man fährt dort durch Höhlen, was sehr idyllisch und beeindruckend ist“, berichtet Alexandra. In Erinnerung bleibt den Studentinnen auch die freundliche, hilfsbereite Art der Menschen in der Region. Wie schnell man sich daran gewöhnt, merkte Lara nach ihrer Rückkehr am Frankfurter Flughafen: „Mich hat direkt jemand angepampt, weil ihm mein Rucksack im Weg war. Ich dachte nur: Wie unentspannt!“
 

Gewalt der Roten Khmer: Die Älteren haben sie noch erlebt

Vor 30 Jahren schloss Kambodscha ein dunkles Kapitel seiner Geschichte. Ein Friedensabkommen beendete einen blutigen Bürgerkrieg und die jahrzehntelange Gewalt der Roten Khmer. Die maoistische Militärjunta hatte nach Schätzungen mindestens 1,7 Millionen Menschen auf ihrem Gewissen. Unter anderem hatten sie Massen von Stadtbewohnern aufs Land deportiert, damit diese die Felder bestellten – unzählige Menschen waren dabei gestorben. 1993 erhielt Kambodscha eine neue Verfassung. Damals war es eines der ärmsten Länder der Welt; inzwischen geht es der Bevölkerung besser. Gemessen am Human Development Index rangiert Kambodscha jedoch aktuell auf Platz 146 und damit zum Beispiel noch hinter anderen wirtschaftlich schwach entwickelten Staaten wie Honduras oder der Republik Kongo.