#nurMITeinander – für gute Medizin!

  • Beruf & Karriere
  • 08.02.2019

Der Ton macht die Musik – das ist auch im Krankenhaus so. Mit der Aktion „#nurMITeinander – für gute Medizin!“ will das Bündnis Junger Ärzte (BJÄ) in der ersten Februarwoche alle an der Patientenversorgung Beteiligten motivieren, im medizinischen Alltag bewusst auf das Miteinander und einen freundlichen Ton zu achten. Dr. Kevin Schulte (32), der Sprecher des Bündnisses junger Ärzte, arbeitet selbst als Internist und Assistent an der Klinik für Nierenheilkunde und Hochdruckkrankheiten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Im Interview erklärt er, worum genau es seinen Mitstreitern und ihm geht.

 

Herr Schulte, was genau hat Sie dazu gebracht, die Kampagne #nurMITeinander - für gute Medizin! zu starten?

Wir haben unter uns jungen Ärztinnen und Ärzten etwas Erstaunliches festgestellt: Wenn wir uns außerhalb des Krankenhauses, also außerhalb des beruflichen Rahmens treffen, herrscht ein gutes Miteinander und ein freundlicher Ton. Aber in der Klinik springen dieselben Kolleginnen und Kollegen, die eben noch freundlich und wertschätzend waren, manchmal rüde miteinander um. Dabei haben die meisten von uns den Beruf ja ergriffen, um zu Helfen und Gutes zu tun.

Was genau meinen Sie mit rüdem Umgang?

Ich kann mich gut an einen cholerischen Kollegen erinnern, der häufig herumgebrüllt hat, wenn etwas nicht so lief wie er wollte. Einmal sagte er zu mir: 'Du Idiot! Willst Du meinen Patienten umbringen?!' Klar, manchmal herrscht Zeitnot und Druck. Und klar ist auch, dass die Verantwortung enorm ist. Aber so ein Kasernenton muss dennoch nicht sein.

Woran liegt es, dass die Situation so angespannt ist?

Wir haben erstens zu wenig Zeit, um die Soft Skills einzuüben, zum Beispiel angemessenes Kommunikations- und Führungsverhalten. Bei großen Unternehmen sitzt das Führungspersonal alle zwei Wochen in einem entsprechenden Seminar. Aber bei uns im Krankenhaus finden solche Fortbildungen leider nicht statt. Und zweitens müssen wir unsere Arbeit in einem zeitlich und finanziell ziemlich engen Rahmen erbringen. Da gibt es feste Vorgaben, was bei welchem Patienten in welcher Zeit und zu welchem Preis gemacht werden muss. Uns fehlt also die Kultur, Stress zu bewältigen und uns fehlen die Ressourcen. Wenn bei uns in der Klinik ein Kollege krank wird oder Urlaub hat, dann haben wir sofort ein Problem, die Schichten zu besetzen. Dann herrscht 'Land unter'.

 

Liegt´s denn immer nur am Stress oder auch an anderen Faktoren, wenn es etwa zwischen Pflege und Medizinern mal kracht im Alltag?

Ärzte entscheiden eher argumentativ und weniger intuitiv. Die Pflege schlägt dann manchmal in der Versorgung genau die gleichen Dinge vor wie die Ärzte, ist aber ganz intuitiv zu diesen Lösungen gekommen. Wenn wir dann anfangen, unsere Entscheidungen zu begründen, schüttelt die Pflege mitunter den Kopf und fragt sich: `Wieso ständig so umständlich argumentieren, wir sind doch auch so darauf gekommen! Da fehlt es manchmal am wirklichen Verständnis für die 'Denke' der jeweils anderen Berufsgruppe, und so entstehen ganz spannende Konfliktsituationen. Da brauchen wir dann ein gutes menschliches Miteinander, um diese Spannungen aufzulösen. Wir gestalten gemeinsam tagtäglich die Patientenversorgung, ohne miteinander zu sprechen und zu kommunizieren funktioniert im Alltag beinahe nichts. Man muss verstehen wollen, wie sich der jeweils andere entscheidet. Denn uns kann eigentlich nichts Schlimmeres passieren, als das wir nicht miteinander um den besten Weg für unsere Patienten ringen.

Wie reagieren eigentlich die Patienten auf den Stress im Krankenhaus?

Ich persönlich glaube, sie haben einfach Angst. Wenn ich in ihrer Situation wäre, dann würde ich jedenfalls wollen, dass da jemand kommt, der mich begrüßt, mir die Hand gibt, mich beruhigt. Kurz: Ich will mich sicher und geborgen fühlen. Ich glaube, Patienten haben kein Verständnis, wenn unsere Arbeit nicht reibungslos abläuft. Eine wirklich wütende Reaktion habe ich allerdings noch nie mitbekommen. Dabei hätten sie manchmal Grund genug, sauer zu sein, wenn sie im Doppel- oder Dreibettzimmer drei Mal pro Nacht geweckt werden, wenn jeden Tag anderes Personal kommt uns so weiter und so fort - ich bin überrascht, wie genügsam sie sind. Viele Patienten wünschen sich einfach nur, dass mal jemand zehn Minuten Zeit hat, ihnen einen Tee oder eine Wärmflasche macht und sich zu ihnen ans Bett setzt. Da fragt man sich, ob es gesellschaftlich betrachtet nicht sinnvoller wäre, in Pflegepersonal und Ärzte zu investieren als in neue, teure Medikamente, von denen nur wenige profitieren.

Geht es Ihrer Meinung nach tendenziell bergauf oder bergab mit der kommunikativen Kultur im Krankenhaus?

Ich bin sicher, dass der Weg eher bergab geht. Auch im gesellschaftlichen Diskurs stelle ich fest, dass man hart miteinander umgeht. Wer freundlich ist, wird ironisch als 'Gutmensch' abgetan.

Was könnte die Situation verbessern?

Zuerst sollten wir uns an die eigene Nase fassen und verstehen, wann und warum wir die Beherrschung verlieren. Wir brauchen mehr Training, um zu lernen, wie man mit stressigen Situationen besser umgehen kann. Und wir brauchen einen Rahmen, der unseren Aufgaben gerecht wird, also keine Sparpolitik um jeden Preis.

Hätten Ärzte den Umgang mit Stress nicht schon im Studium lernen müssen?

Nein, das meine ich nicht. Wenn du mit einer Nadel zwei Millimeter neben der Halsschlagader des Patienten arbeitest und plötzlich klingelt das Telefon oder irgendetwas fehlt, dann bist du in einer Situation, die man nicht im Studium einüben kann. Das muss man erleben und fühlen. Darum sind entsprechende Seminare erst 'on the job' sinnvoll. Sinnvoll wäre auch, den Blick über den Tellerrand zu wagen und zum Beispiel gemeinsam mit Polizisten oder Piloten Kommunikation in Krisensituationen zu trainieren.

Was sagen eigentlich die Pflegenden zu Ihrer Kampagne?

Wir haben schon häufig gut und kollegial mit der AG Junge Pflege des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe zusammengearbeitet. Erst kürzlich haben wir gemeinsam in einer sehr interessanten Studie untersucht, wie junge angestellte Ärztinnen und Ärzte und junge Pflegende durch die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus belastet sind. Natürlich haben wir die Kolleginnen und Kollegen über unsere Kampagne informiert und freuen uns, wenn sie sich daran noch beteiligen.

Wie geht es jetzt weiter nach Ihrer Aktion?

Unsere Kampagne hat jetzt schon viel Aufsehen erregt, was mich sehr freut. Da auch viel positives Feedback aus dem ambulanten Sektor kam, könnte ich mir gut vorstellen eine '#nurMITeinander - für gute Medizin'-Kampagne 2.0 aufzulegen und dann den ambulanten Sektor mehr in den Fokus zu nehmen.
 

Zum Hintergrund der Kampagne

Unter dem Hashtag #nurMITeinander – für gute Medizin postet das Bündnis Junge Ärzte (BJÄ) vom 4. bis zum 10. Februar Beiträge auf Facebook und Twitter, die humorvoll für mehr Respekt füreinander im Klinikalltag werben. Die Aktion richtet sich an alle Berufsgruppen, die Patienten versorgen; Ärzte vom 'Assi' bis zum Chefarzt, Pflegende und alle anderen Gruppen, die im Gesundheitssystem kooperieren, so der BJÄ. Denn ein höflicher Umgang verbessere nachweislich die Patientenversorgung. Umgekehrt geht zum Beispiel die Hilfsbereitschaft von Ärzten zurück, die einem schlechten Umgang ausgesetzt sind, so die Initiatoren. Angelehnt ist die Aktion an das britische Projekt 'Civility Saves Lives' (https://www.civilitysaveslives.com/), das sich gegen Unhöflichkeit im Krankenhaus wehrt.

Das Bündnis Junge Ärzte ist ein Zusammenschluss der Vertreter der jungen Assistenz- und Fachärzte mit dem Ziel, die Patientenversorgung nach modernen und ethischen Gesichtspunkten zu verbessern und Berufsbedingungen für eine Medizin der Zukunft zu gestalten.