„Der Aufbruch ist spürbar"

Spezialisiert auf Kleintiere, die auch mal größer sein können: Dr. Dirk Remien (rechts) und Tiermedizin-Studentin Karoline Lang von der Tierklinik Lüneburg. Foto: Tierklinik Lüneburg
  • Beruf & Karriere
  • 01.04.2019

Weniger Überstunden, mehr Anerkennung: Arbeitgeber in der Veterinärmedizin müssen umdenken und Berufseinsteigern bessere Bedingungen bieten, meint Dr. Dirk Remien, Mitinhaber der Tierklinik Lüneburg. ScrubsMag lässt Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Wort kommen.

Herr Dr. Remien, der Bund angestellter Tierärzte (BaT) fordert bessere Arbeitsbedingungen für junge Veterinäre. Wie stehen Sie dazu?

Wir erleben gerade einen kompletten Umbruch. Jahrzehntelang waren überlange Arbeitstage und niedrige Gehälter für Berufseinsteiger normal. Diese Zeiten sind vorbei. Seit etwa zwei Jahren tragen Organisationen wie der BaT und der Bundesverband Praktizierender Tierärzte vermehrt Forderungen an die Arbeitgeber heran, die durchaus berechtigt sind.

Warum kommt diese Einsicht gerade jetzt?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens gab es da lange Zeit eine Eigendynamik: Viele Kliniken haben ihre Beschäftigten so behandelt, wie sie es selbst aus ihrer Assistenzzeit kannten. Und die angestellten Veterinäre haben ihr Recht nicht eingefordert, speziell was Arbeitszeiten angeht. Jetzt tun sie das. Zweitens sieht sich die Gewerbeaufsicht häufiger die Dienstpläne von Kliniken an. Und drittens wird es für viele Häuser immer schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden. In unserer Klinik hatten wir zum Beispiel bis vor fünf Jahren immer einen ganzen Stapel Bewerbungen auf dem Tisch liegen. Das ist heute nicht mehr so. Gerade größere Häuser, die wie wir auch einen Notdienst anbieten, haben es schwerer – viele Bewerber schreckt die Aussicht auf Nachtschichten ab. Der Arbeitsmarkt ist aus meiner Sicht der eigentliche Motor der Veränderung.
 

Foto: Tierklinik Lüneburg

Dr. Dirk Remien (49) studierte Veterinärmedizin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Während seiner Assistenzzeit arbeitete er in einer Tierarztpraxis in Bielefeld und in der Tierklinik Lüneburg, die auf Kleintiermedizin spezialisiert ist. 2011 erwarb er dort die Zusatzbezeichnung in Kardiologie. 2001 kaufte sich Remien als einer von drei Inhabern in die Klinik ein. Das Haus beschäftigt 63 Mitarbeiter, davon 16 angestellte Veterinäre.

 

Und was tun Sie dafür, dass wieder mehr Bewerber anklopfen?

Wir haben unsere Dienstpläne umgestellt und eine Zeiterfassung eingeführt. Überlange Nacht- und Notdienste gibt es nicht mehr. Dafür brauchen wir insgesamt mehr Personal. Seit 2017 haben wir drei neue Kollegen eingestellt. Unsere Mitarbeiter erhalten zudem bis zu zwei externe Fortbildungen im Jahr.

Die teils dürftige Bezahlung von Veterinären ist auch ein großes Thema. Der BaT schlägt ein Einstiegsgehalt von 3.500 Euro für Assistenztierärzte vor…

Auf eine bundesweit einheitliche Zahl würde ich mich nicht festlegen. Zum Beispiel sind die finanziellen Möglichkeiten von Kliniken im Speckgürtel von München größer als in Frankfurt an der Oder. Meiner Meinung nach müssen Gehälter marktwirtschaftlich funktionieren. Ich sehe das Problem eher darin, dass Tierarztleistungen in Deutschland zu billig sind. Wir Arbeitgeber können nicht auf einen Schlag alles ändern. Mein Appell an die Verbände: Gebt uns Zeit. Das Gehalt ist auch nicht unbedingt der entscheidende Faktor für die Arbeitszufriedenheit, sondern vor allem Wertschätzung. In der Tiermedizin wird wenig gelobt. Aber auch hier gibt es ein Umdenken.
 

Die andere Seite

Foto: privat

Was der Mitbegründer des Bundes angestellter Tierärzte Dr. Christian Wunderlich zur Jobsituation von Veterinären sagt, liest du hier.

 

Was raten Sie angehenden Veterinären?

Stellen Sie im Bewerbungsgespräch die richtigen Fragen. Ein guter Arbeitgeber bringt Ihnen etwas bei – das ist das Wichtigste. Lassen Sie sich genau erklären, wie man Ihnen einen schönen Arbeitsplatz bereiten will: Wie läuft das mit Diensten, Fortbildungen, Urlaub? Darf vielleicht der eigene Hund mit zur Arbeit?

Manche fürchten vielleicht, zu selbstbewusst aufzutreten…

Klar gibt es Arbeitgeber, die das nicht mögen. Die werden auch in ihren Häusern erst einmal nichts ändern, solange sie keine Probleme haben. Aber auch diese Chefs wird der Markt in ein paar Jahren vermutlich zu einem Wandel zwingen. Der Großteil der Klinikleiter hat das schon erkannt. Der Aufbruch ist überall zu spüren.